Gründungsbeschluß
(gefaßt auf der Gründungsversammlung von „Eltern helfen Eltern e.V. in Berlin-Brandenburg“ am 23. Juni 1990 in der Eliaskirche in Prenzlauer Berg)
Jeder Vater oder jede Mutter eines behinderten Kindes muß die Erfahrung machen, wie schwierig das Leben mit einem Behinderten in der Familie sich gestaltet, wie fundamental sich das Familienleben ändert. Viele Eltern und ihre nahen Familienangehörigen stehen mit dieser Belastung von Anfang an, nachdem sie zum ersten Mal über die Behinderung oder Entwicklungsbeeinträchtigung ihrer Kinder erfahren haben, allein, vor einem großen, kaum überwindbaren Berg von Problemen. Das sind Probleme des Findens von medizinischen, sozialen und materiellen Hilfen, des Ankämpfens gegen Vorurteile und Ausgrenzung durch die unmittelbare Umgebung, der Sicherung der fundamentalen Menschenrechte wie Wohnen, Arbeit, Bildung und Erholung und der wenigstens teilweisen Entlastung der Eltern von der täglichen Last. Viele Eltern tragen diese Lasten an 24 Stunden an jedem Tag im Jahr, kennen kaum einen Unterschied zwischen Werktag und Sonntag, bekommen nie Urlaub von dieser Belastung, haben kaum eine Chance ihr Leben lang, sich von dieser Belastung zu lösen, und stehen unter einer oftmals physischen und vor allem psychischen permanenten Anspannung.
Seit den bewegenden Oktobertagen 1989, in denen unsere hoffnungsvolle Umgestaltung in unserem Land begann, haben sich eine ganze Reihe neuer Verbände und Vereine für Behinderte gegründet. Sie alle haben zum Ziel, sich in erster Linie um die Verbesserung der Lebenssituation von Behinderten direkt zu kümmern. Die Eltern bzw. nahen Angehörigen von behinderten oder in ihrer Entwicklung beeinträchtigten Menschen, die tagtäglich sich intensiv um ihre Angehörigen bemühen, sie pflegen, sie fördern und bilden und ihnen ein möglichst menschenwürdiges und optimales Leben zu Hause ermöglichen, bleiben bei der Tätigkeit dieser Vereinigungen meist sehr stark im Hintergrund und unbeachtet mit ihren physischen, psychischen und moralisch-ethischen Belastungen und Ansprüchen, die die Umwelt an sie so selbstverständlich stellt.
Wir sind eine Gruppe von Eltern, die Schritt für Schritt gemeinsam gelernt haben, den Alltag mit unseren Kindern mit geistiger oder mehrfacher Behinderung sowie mit Entwicklungsbeeinträchtigungen zu bewältigen. Hilfe von Eltern für Eltern - begleitet seit Jahren von Mitarbeitern der Inneren Mission, des Caritas-Verbandes und von einigen staatlichen Beratungsstellen - in größeren und kleineren Gruppen in den Stadtbezirken von Berlin sowie in verschiedenen Städten und Kreisen der Bezirke Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus in Form von regelmäßigen und sporadischen Treffen waren bisher ein Angebot und tätige Solidarität für alle Familien, in denen junge und ältere behinderte Menschen leben.
Nun besteht die Möglichkeit, daß diese bis 1989 in vielen Fällen quasi staatlich unerwünschte und fast illegale segnungsreiche Arbeit für die betroffenen Eltern und Familienangehörigen einen selbständigen Rechtsträger bekommt, einen „eingetragenen Verein“, der Einfluß nehmen kann auf Länderverwaltungen, auf Kreisverwaltungen, auf Kommunen, auf medizinische, soziale und Rehabilitations-Einrichtungen sowie insbesondere auch auf den Spitzenverband, das Diakonische Werk, was bisher nicht so möglich war. Wir Eltern bekommen durch diesen e.V. gesellschaftliches Gewicht. Die Diakonie ist einer der größten Rechtsträger von stationären Einrichtungen für behinderte, kranke und alte Menschen. Nun bekommt sie auch „ihren“ Elternverband.
Auf unserer heutigen Gründungsveranstaltung des gemeinnützigen Vereins „Eltern helfen Eltern e.V. in Berlin-Brandenburg“ bekunden wir Eltern, daß dieser Verein eine gemeinsame Basis zur Selbsthilfe von und für betroffene Eltern, nahe Familienangehörige und Freunde behinderter Menschen in allen Teilen Berlins und des Landes Brandenburg darstellen soll. Dabei sollen die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der einzelnen regionalen Gruppen gewahrt bleiben und der Verein als Klammer und Bindeglied zwischen den Gruppen und als überregionaler Vertreter zu Regierungsstellen und Behörden wirken.
Berlin, den 23. Juni 1990
© Eltern helfen Eltern e.V. in Berlin-Brandenburg, Schottstraße 6, 10365 Berlin, Telefon (030) 55 49 10 44
Stand: 20. Juni 2002
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